Es war Platon, der sagte: „Liebe ist eine schwere Geisteskrankheit.“ Also im Prinzip eine Art Behinderung. Google zufolge ist die Definition für ‚behindert‘ nämlich: „Infolge einer körperlichen, geistigen oder seelischen Schädigung beeinträchtigt.“ Passt eins zu eins auch auf Menschen, die verknallt sind. Im Grunde auch nur ein anderes Wort für ‚einen Knall‘ haben. Eigentlich sollte man ja sich vor Leuten, die einen Knall haben, etwas in Acht nehmen! Aber viele fürchten sich vor etwas ganz anderem.
Es gibt drei große Szenarien, vor dem fast jeder Mensch panische Angst hat:
- allein sterben,
- in eine finanzielle Misere zu fallen,
- krank werden, oder aufgrund eines Unfalls eingeschränkt sein.
Ich als Rollstuhlfahrerin verkörpere in den Augen vieler Leute genau das. Alle Ängste vereint in einer Person. Viele glauben, dass Menschen mit Behinderung finanziell sehr schlecht dastehen (bzw. sitzen), weil sie ihre Wohnungen, Fahrzeuge etc. behindertengerecht umbauen müssen, oder andere spezielle Hilfsmittel brauchen. Wie viel kann da noch übrigbleiben? Dann kommt noch die Tatsache, dass man als Rollstuhlfahrer ständig auf Hilfe und Aufzüge angewiesen ist. Scheinbar sind einige Menschen der Meinung, dass das persönliche Lebensglück damit zusammenhängt, ob man Treppensteigen oder ein Marathonläufer werden kann. Folglich kann man mit all diesen Problemen auch kein Partner finden. Der wird nämlich automatisch als Pfleger assoziiert.
‚Einbildung ist auch eine Behinderung‘
Sobald ich irgendein Punkt davon überlistet habe, fühlt es sich so an, als hätte ich es der ganzen Welt gezeigt. Und genau das ist hochkant FALSCH! Man sollte meinen, dass ich über den Punkt hinaus wäre. Aber nach gewissen Erfahrungen, wir einem immer wieder bewusst, dass man selbst das größte Problem mit der eigenen Behinderung hat und nicht die anderen.
Kompromissbereitschaft
Während alle anderen Menschen befürchten sich mit dem Corona-Virus anzustecken, hatte ich mich in den letzten Monaten mit Monogamie angesteckt. Die Sicherheitsvorkehrungen waren fast dieselben. Ich war freiwillig in Quarantäne, habe nicht mehr viel aus mir gemacht und wenn ich raus ging, hatte ich eine unsichtbare Maske auf, damit niemand merkt, dass ich eigentlich unzufrieden war. Abgesehen davon, verwandelte mich in eine Art Kindermädchens für den großen Jungen an meiner Seite. Ständig ertappe ich mich dabei, wie ich solche Fragen stellte, wie: „Hast du heute genug gegessen? Bist du gut zuhause angekommen? Soll ich lieber zuhause bleiben?“ Das einzige, was ich nicht getan habe, ist ihn auf den Schoß zu nehmen, um ihn ein Bäuerchen zu entlocken!
Selbsttreue
Der innere Antrieb von mir war weg. Ich schob alles auf den unschuldigen Virus, der schließlich die ganze Welt lahmgelegt hatte und glaubte, dass ich deshalb nicht mehr viel mit meinem alten Leben zu tun hatte. Es ist normal, dass man in einer Beziehung nicht mehr so „aktiv“ ist und sich ein wenig verändert. Beziehungen sind zwangsläufig eine Kette von Kompromissen. Aber wie viel von unserem selbst dürfen wir dem anderen opfern, bevor wir aufhören wir selbst zu sein? Kann man sich selbst treu sein, wenn man mit jemanden zusammen ist?
Der Kampf gegen sich selbst
Bei jedem Konflikt mit dieser Person, die neuerdings seine Zeit mit mir verbrachte, fragte ich mich, ob es wert war über gewisse Dinge zu diskutieren. Aus irgendeinem Grund nahm ich vieles einfach so hin. Ich glaube, dass ich einfach keine Lust auf unnötige Diskussionen hatte. Zumindest redete ich mir das ein. Es war einfach das zu glauben, als das was ich im tiefsten Inneren wusste und nicht zugeben wollte. Ich ging viele Kompromisse ein, weil ich dachte: „Er ist zwar nicht das, was ich schon immer haben wollte, er kann mich auch nicht wirklich verstehen und hat kaum eine Ahnung von meinen eigentlichen Interessen, ABER er akzeptiert mich ja wie ich bin – mit meinem Rollstuhl.“ Das ist der eigentlich tragische Gedanke, den ich ignorieren wollte.
Anziehen und verziehen!
Doch genau das, war was mich überhaupt an diesem Menschen als anziehend empfand. Es muss etwas Besonderes in ihm stecken, sodass er mich ausgewählt hat. Ja, ich weiß, es klingt sehr nazistisch, jemand gut zu finden, weil er mich gut findet, aber ich bin nur ehrlich. Trotz allem konnte ich mich nicht länger vor der Wahrheit verstecken und fing mit den Corona-Lockerungen an, auch locker über gewisse Konflikte zu reden. Dabei bemerkte ich immer wieder, dass er nur das mochte, was aus mir geworden ist und nicht wer ich bin. Das war vermutlich auch der Grund, warum er sich ziemlich erbärmlich verzogen und im Anschluss sein wahres Gesicht immer mehr präsentierte.
Die Erkenntnis
Als alles vorbei war, fühle ich mich so frei und fragte mich ich was zum Teufel mich geritten hatte? Alle Attribute, die ich mir für mein Partner vorgestellt habe, waren so gut wie nicht vorhanden. Wenn es um Selbstständigkeit ging: Ich habe meine Wünsche und Träume nie von einer Person abhängig gemacht. Er schon. Was meine Behinderung angeht: Ich habe mich so gut es geht mit dieser Tatsache abgefunden, dass ich gewisse Dinge nicht tun kann bzw. neue Alternativen für mich finde. Aber er nicht und das Schlimmste war, er hatte Angst vor nahezu allem was irgendwie neu ist. Abgesehen davon auch kaum bereit für Spontanität und zu allem Übel abhängig von mir. In jeder Lebenslage! Alle Eigenschaften die man mir als Rollstuhlfahrerin unterstellte, hatte er eigentlich. Diese Erfahrung hat mich wieder das erkennen lassen, was ich ständig anderen vorpredige. Kein Partner auf dieser Welt (und mag er noch so „großartig“ sein), ist es wert so viele Kompromisse einzugehen. Ich bin lieber Single und zufrieden, als eine Beziehung zu führen, die mich unglücklich macht.
Beziehungsmärchen
Frau suchen ständig den Fehler zuerst bei sich selbst. „Wie konnte ich so dumm sein? Warum habe ich es nicht früher bemerkt usw.“ Vielleicht ist das auch der Grund warum wir Märchen lieben. In vielen Mädchen möchte die weibliche Hauptfigur gerettet werden. Der Märchenprinz muss kommen, damit wir aus einem Schlaf erwachen, als dem Turm befreit oder vor der Bösen Stiefmutter gerettet werden. Schneewittchen hätte einfach kein Obst von einer Fremden annehmen sollen. Rapunzel hätte ihr Haar irgendwo fest machen können, daran runter klettern und dann die Haare abschneiden können. Aschenputtel hätte mit ihren Vögeln und Mäusen eine Schneiderei eröffnen können und mit dem Geld ausziehen können, aber NEIN – Es wird kleinen Mädchen eingeredet, dass ein Mann in diesen ganzen Geschichten nötig, um die Prinzessin zu befreien. Das einzige Märchen, welches tatsächlich Sinn macht ist „Hans im Glück“ – Komischerweise auch das einzige Märchen, in dem es nur um ein Jungen geht. Mir kommt grade der Gedanke, ob Hans im Glück vielleicht der Vorreiter von Fightclub war? Wie dem auch sei, eigentlich möchte ich nur damit sagen, dass viele Frauen im Prinzip vor sich selbst gerettet werden wollen. Vor ihren eigenen Zweifel, Pessimismus und manchmal auch Wahnsinn. Aber kein emotionaler Ballast kann weg gezaubert werden von einem Möchtegern Märchenprinz, mit Hipster Bart und Skinnyjeans. Das können nur wir Frau selbst.
Verstecke und offensichtliche Behinderungen
Als Rollstuhlfaherin verkörpere ich vielleicht alle Ängste, die viele Menschen haben. Paradoxerweise agieren wir Rollstuhlfahrer für die Gesellschaft aber auch als rollende Motivationstrainer. Frei nach dem Motto: „Wenn die Rollstuhlfaherin das schafft, schaff ich das auch.“ Was nicht stimmt, aber das ist ein anderes Thema.
Fakt ist, dass mein Defizit auf dem Servierteller präsentiert wird. Das unfaire an der Sache ist, dass man die Defizite bei anderem Menschen nicht sofort erkennen kann. Erst nach Monaten erkannte ich, dass diese Person ein energiesaugender Kleptomane, eifersüchtiger Schizophrener und emotionaler Legastheniker war. All diese „Behinderungen“ hätte ich gerne auch beim ersten Blick erkannt. Mein heimlicher Traum war es irgendwann ein Artisten an meiner Seite zu haben, doch stattdessen bekam ich einen Autisten. Zwar glauben viele Leute, dass ich ein Scherz mache, wenn ich sage: „Bitte besorg dir eine Behinderung, die man sehen kann, damit andere vorgewarnt sind. Schließlich bin ich auch so fair.“ Aber bei einigen Menschen ist das völlig ernst gemeint. Entweder mag man jemanden so wie er ist, oder man lässt es einfach sein. – Egal ob nun behindert ist, oder nicht, Kompromisse sollten beide Partner gleichermaßen eingehen und nicht der eine mehr oder der andere weniger. Wenn es in eurer Beziehung so ist, dann lasst es und sieht ein, dass ihr in einer behinderten Beziehung gefangen seid!
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